
In der Woche seines Sterbens und seiner Auferstehung sucht Jesus Christus den Dialog. Er
zieht die Betrachter ganz existentiell in das Passionsgeschehen hinein und eröffnet völlig neue
Lebensperspektiven.
Begreift ihr, was ich an euch getan habe? (Joh 13,12)
Diese zentrale Frage Jesu an seine Jünger bleibt ohne Antwort. Die Fußwaschung durch den Meister provoziert. Es geht um verborgene Machtansprüche und Eitelkeiten, die einem ehrlichen Liebesdienst entgegenstehen. Fußwaschung und Einsetzungsworte gehören zusammen und warten auf die Antwort dieser Liebe.
Wen sucht ihr? (Joh 18,4)
Das ist innere Größe. Im Garten Getsemani geht Jesus auf seine Verfolger zu und fragt sie, wen sie suchen. Er stellt sich selbst und beginnt einen Dialog, der in die Gefangenschaft führt. Mit einer so couragierten Persönlichkeit hatten die Verfolger nicht gerechnet.
Weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! (Lk 23, 28)
Eine kurze Szene am Kreuzweg Jesu. Die Tränen der Frauen berühren ihn persönlich. Tränen des Mitleids und tief empfindender Liebe. Umso mehr verwundert die Reaktion des Leidesmannes. Sein innerer Dialog ist bei jenen, deren Sündenlast er auf seinen Schultern schleppt.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,46)
Dieser letzte große Dialog am Kreuz scheint ins Leere zu laufen. In äußerster Verlassenheit ruft
er seinen Vater. Der Sohn ringt um eine Antwort, er hofft auf ein Zeichen seiner Nähe. Erst am
Ostermorgen reißt der Himmel auf.
Frau, siehe, dein Sohn! – Siehe deine Mutter (Joh19,27)
Selbst in seiner Todesstunde ergreift Jesus die Initiative. Er sieht seine Mutter und seinen Jünger Johannes. Er fühlt sich in beide hinein und schenkt sie einander. Er stiftet Kirche durch eine neue Verbundenheit der Hinterbliebenen.
Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? (Lk, 24,17)
Auf dem Weg nach Emmaus entwickelt sich ein Gespräch, das den Jüngern zu Herzen geht. Jesus schaltet sich ein, interessiert und prophetisch. Er deutet die inneren Zusammenhänge. Er weckt Begeisterung. Er teilt das Brot und öffnet ihnen die Augen. Wie ein Lauffeuer macht diese frohe Kunde die Runde.
Frau, warum weinst du? (Joh 20,15)
Eine Dialoginitiative am Ostermorgen. Der Auferstandene stellt an Maria diese Frage. Ganz persönlich. Er nennt sie bei ihrem Namen. Der vertraute Klang seiner Stimme löst eine unbeschreibliche Freude in ihr aus. Jesus, der Herr über Leben und Tod, weiß auch, was mich
bewegt. Er spricht mich mit meinem Namen an und eröffnet mir neue Perspektiven.
Liebst du mich? (Joh 21, 16)
Das dreimalige „Liebst du mich?“ Jesu macht Petrus betroffen. Der Leistungstyp wird mit seiner eigenen Schwäche konfrontiert. Jesus macht deutlich, worauf es ihm zuerst ankommt. Es sind nicht die großen Worte. Einen gelebten Dialog der Liebe will er. Das ist sein Vermächtnis.
Regens Martin Emge, Bamberg: Betrachtung zur Heiligen Woche 2011