5. Rundbrief von Amarins Reidenbach, MaZ in Cebula, Philippinen
Liebe Leute,
Hahahhaha ich kann es kaum glauben, aber ich habe nun die Hälfte meines Freiwilligenjahres hinter mir und der Januar ist auch schon fast vorbei. Ich dachte, nach Weihnachten wird es sicher etwas ruhiger und die Tage werden wieder 'normal', aber nichts war weiter von der Wahrheit entfernt. Der Januar war, 'verrückt'. Noch stressiger als der Dezember, aber was für ein Spaß war das. Bis jetzt war der Januar mein absoluter Lieblingsmonat.
Generell war in den letzten Wochen viel los, aber gerade Action gibt mir viel Energie! Ich habe viel Spaß an meinem neuen (zusätzlichen) Projekt KAISA-KA (Unity of Woman for Freedom). Kaisa Ka ist eine Frauenorganisation, die sich auf wirtschaftlich benachteiligte und politisch ausgegrenzte Frauen konzentriert. Die Organisation baut Organisationen auf, betreibt Advocacy und setzt sich für die Rechte der Frauen ein. Unter dem Namen WEAVERS (Women in Action for Voice and Economic Rights) hilft sie Frauen, durch kleine Frauenunternehmen Ressourcen zu erwirtschaften. Meine Kollegen und ich arbeiten derzeit aktiv daran, Frauen über ihre Rechte aufzuklären und darüber, wie sie diese vom Staat einfordern können. Wir tun dies bei Treffen mit Kaisa Ka-Mitgliedern und besuchen jeden Monat ein anderes Dorf mit Kaisa Ka-Mitgliedern. Ich konzentriere mich dabei auf fünf Dörfer, sogenannte Barangays, entlang der Küste von Cebu City. Im Jahr 2019 hat der Staat einen Plan entwickelt, um eine Promenade am Rande der Küste zu bauen, ge du da wo sich diese 5 Barangays befinden. Das damals freie Land, auf dem die Familien ihre Häuser gebaut haben, gehört dem Staat. Mit dem Plan, dort einen Boulevard zu bauen, will der Staat das Land jedoch zurückerobern, was der Staat derzeit aktiv verfolgt. Die Familien werden gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben und die Häuser werden dem Erdboden gleichgemacht. Das betrifft Tausende von Familien. Natürlich gibt es auch Menschenrechte, an die sich der philippinische Staat halten sollte, aber das wird alles nicht ernst genommen. Die Familien in den fünf betroffenen Barangays leben vom Fischfang, und die Ersatzunterkunft, die der Staat jetzt für sie bereitstellt, liegt weit weg von der Stadt irgendwo in den Bergen von Cebu. Für die Familien ist das unvorstellbar, da sie vom Fischfang leben und keine Ahnung haben, wie das Leben in den Bergen ist. Es gibt für diese Familien keinen anderen Ausweg mehr und sie werden ihre Häuser tatsächlich aufgeben müssen, aber wir setzen uns gemeinsam mit den Frauen und ihren Familien dafür ein, dass der Staat eine ähnliche Lebenssituation vorschlägt. Es ist ein langer Weg, aber mit der Stärke und dem Mut dieser Frauen und ihrer Familien bin ich zuversichtlich das wir gemeinsam Großes erreichen werden.
Nach Weihnachten hatte ich auch ein paar Tage Urlaub. Während dieses Urlaubs habe ich die schönsten Orte in diesem Land genossen. Auf den Fotos, die ich mitgeschickt habe, kann man die schöne Umgebung sehen, aber wenn man selbst dort ist, fühlt es sich anders an. Viel intensiver oder so. Mit ein paar gemieteten Motorrädern und 13 anderen Freiwilligen fuhren wir irgendwo durch die Wälder und Berge von Negros. Wir sahen Wasserfälle, aßen gutes Essen und durften bei einigen Leuten aus dem örtlichen Bergdorf Unterschlupf suchen, weil es in Strömen regnete.
Der Januar stand ganz im Zeichen der Feiertage. Das größte und speziellste Fest ist das Sinulog-Santo-Niño-Fest, auch einfach Sinulog genannt, ein jährlich stattfindendes kulturelles und religiöses Fest auf den Philippinen zu Ehren von Santo Nińo, dem Jesuskind. Sinulog findet traditionell am dritten Sonntag im Januar statt und ist einer der am meisten erwarteten Feiertage des Jahres. Die Einwohner von Cebu, der Region, in der der Feiertag seinen Ursprung hat, feiern ihren Schutzpatron, und die Straßen von Cebu sind mit bunten Paraden und Festivitäten übersät. Dieser Feiertag ist dafür bekannt, dass die Menschen von überall her kommen, um an den traditionellen Tänzen und dem Straßenessen teilzunehmen, die überall in der Region zu finden sind. Selbst ich als untalentierter halb Niederländerin/halb Deutsche musste mittanzen. Aber zum Glück konnten alle darüber lachen, nur ich nicht. Jetzt natürlich schon aber in dem Moment wäre ich lieber im Erdboden verschwunden.
Ich wohne direkt im Zentrum von Cebu City (Hauptstadt von Cebu), wo sich auch die St. Niño Basilika befindet. 9 Tage vor Beginn des Festes finden in der St.-Niño-Basilika 11 Gottesdienste pro Tag statt. Jeder Gottesdienst hat eine ungewöhnlich hohe Besucherzahl. Sogar die Straßen rund um die Kirche sind voll mit Menschen. Ich fand es ein besonderes Erlebnis, aber auch ultra heiß. Pooooh, da sitzt man (nur wenn man Glück hat und pünktlich ist) mit 15.000 Menschen in einer Open-Air-Kirche, es sind 30 Grad und die Sonne scheint schön mit, aber wie cool war es dieses Erlebnis bitte! UNBESCHREIBLICH!
Während ich jetzt in meinem kleinen Zimmer sitze und eigentlich ein bisschen kalt bin, aber zu faul bin, aufzustehen und eine Decke zu holen, denke ich über ein paar Dinge nach. (Und nein, es ist hier wahrscheinlich nicht so kalt wie in Deutschland oder in den Niederlanden, aber 27 Grad mit Wind und Regen fühlen sich fast wie -10 an. Ich glaube nicht, dass ich jemals nach Hause zurückkehren kann). Dies sind Fragen, auf die ich zu Beginn meines Freiwilligenjahres oft Antworten gesucht habe. Habe ich meine Rolle hier gefunden? Wer bin ich, warum bin ich hier, was ist meine Aufgabe, was wird von mir erwartet, wie kann ich alle glücklich machen? Anstatt aktiv nach Antworten zu suchen, habe ich diese Situationen auf mich zukommen lassen und mich von meinen Gefühlen leiten lassen.
Nach all den Ferien, Festen und Feiertagen bin ich froh, wieder jeden Tag arbeiten zu können. Es gibt wieder jeden Tag Reis und frittierten Fisch 😋 Ich liebe dass arbeiten mit den Kindern, auch wenn es manchmal eine Herausforderung ist. Diese Woche roch es im Klassenzimmer den ganzen Montagmorgen nach Kacke. Als ich endlich die Ursache fand (ein dicker Haufen unter dem Tisch), war es schon zu spät, um zu fragen, welches der Kinder das war, und ich musste es selbst aufräumen. Aber gut, auch solche Dinge passieren und gehören dazu 🙈.
Liebe Grüße
Amarins