DER BISCHOF VON MÜNSTER DR. FELIX GENN


Erklärung

zu Beginn der Predigt im Gottesdienst

aus Anlass des Neujahrsempfangs des Diözesankomitees der Katholiken

im Bistum Münster am 13.01.2013

 

 

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

der jährliche Neujahrsempfang des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster ist für mich immer eine willkommene Gelegenheit, allen zu danken, die auf den unterschied­lichen Ebenen in den verschiedenen Verbänden unseres Bistums und nicht zuletzt eben im Diözesankomitee mitarbeiten, um Kirche in unserem Bistum ein Gesicht zu geben. Deshalb nehmen Sie auch immer wieder Anteil an Entwicklungen und Prozessen, die in der Öffent­lichkeit mit dem Thema Kirche in Verbindung gebracht werden. In dieser Woche war das in besonderer Weise der Fall. Alle haben teilgenommen daran, dass in den letzten Tagen die Medien intensiv über die Beendigung der Zusammenarbeit der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Kriminologischen Institut Niedersachsen (KFN) unter der Leitung von Professor Dr. Christian Pfeiffer berichtet haben. Dazu möchte ich heute eine Stellungnahme abgeben, die Ihnen helfen kann, in den vielfältigen Diskussionen, in die auch Sie hineingestellt sind, eine Orientierung unsererseits zu finden.

Das Institut hatte den Auftrag, die Taten sexualisierter Gewalt durch Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige kriminologisch zu erforschen. Nach der Beendigung der Zusammenarbeit sah sich die katholische Kirche einer massiven Kritik ausgesetzt. „Kirche stoppt Aufklärung des Missbrauchsskandals“ – „Die Operation Aufarbeitung ist gescheitert“ lauteten nur zwei von vielen kritischen Überschriften. Für viele, leider auch für viele Opfer sexualisierter Gewalt, scheint die Beendigung der Zusammenarbeit mit dem KFN wieder einmal zu bestätigen, was sie ohnehin schon immer angenommen haben:

  • eine wirkliche Aufklärung will die Kirche nicht;
  • es soll weiter vertuscht werden;
  • die Kirche ist nicht lernfähig und zeigt verkrustete Strukturen, ja, sie ist wissenschaftsfeindlich.

Es wurde sogar, ausgehend von Professor Pfeiffer selbst, der Vorwurf erhoben, die Kirche wolle Zensur üben. Dagegen haben wir uns als Bischöfe auch durch rechtliche Schritte eindeutig verwahrt. Differenzierungen scheinen in dieser Situation kaum möglich, vermittelbar sind sie für uns als Kirche kaum. Umso wichtiger ist es mir, sie dennoch vorzunehmen und sie Ihnen auch hier vorzustellen.

Es kann keine Rede davon sein, dass die katholische Kirche die Aufklärung des Missbrauchsskandals stoppt. Das Gegenteil ist richtig: Wir haben uns in Deutschland in den vergangenen drei Jahren intensiv und mit zahlreichen Maßnahmen um eine gründliche und transparente Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt bemüht und werden dies auch weiterhin mit großem Engagement tun. Dazu kommt: Wir bleiben dabei nicht stehen, sondern haben darüber hinaus bereits zahlreiche Initiativen zur künftigen Prävention sexualisierter Gewalt auf den Weg gebracht. So wurde vor einem Monat eine Studie, die von Professor Leygraf verantwortet ist, in der Öffentlichkeit vorgestellt. Hier ging es um die Analyse der Gutachten, die zu Priestern erstellt wurden, die sich sexualisierter Gewalt schuldig gemacht haben. Wer behauptet, die Kirche wolle sich der Wahrheit nicht stellen, wird gerade durch diese Studie eines Anderen und Bessern belehrt.

Prof. Dr. Pfeiffer und andere erheben den Vorwurf, die Deutsche Bischofskonferenz habe die Veröffentlichung der Ergebnisse zensieren wollen. Dabei nimmt Prof. Dr. Pfeiffer jedoch immer Bezug auf einen ersten Vertragsentwurf vom Mai 2012. In späteren Vertragsentwürfen vom Juni und September 2012, an deren Erarbeitung Prof. Dr. Pfeiffer selbst beteiligt war, war sowohl ausdrücklich die Freiheit der wissenschaftlichen Veröffentlichung garantiert als auch die Freiheit der Veröffentlichung der Ergebnisse in den Massenmedien. Im Blick auf die Veröffentlichung in den Massenmedien sollte lediglich, wenn möglich, zwischen den Vertragspartnern ein Einverständnis hergestellt werden, ohne dass eine der beiden Seiten aber ein Vetorecht gehabt hätte. Von daher steht der Vorwurf der Zensur im Widerspruch zur Wirklichkeit.

Deshalb ist es auch falsch und irreführend zu sagen, die katholische Kirche respektiere die Freiheit der Wissenschaft nicht.

Allerdings sind wir verpflichtet, uns auch an Recht und Gesetz zu halten, vor allem, wenn es um personenbezogene Daten geht. Bei Forschungsprojekten, die damit zu tun haben, sind unbedingt die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen, auch wenn sie Täter waren, zu beachten. Zudem müssen ganz selbstverständliche wissenschaftliche Standards eingehalten werden. Ich nenne die datenschutzrechtlichen Fragen, die Anonymisierung von personenbezogenen Daten und die Problematik der sicheren Aufbewahrung solch hochsensibler Unterlagen. Letzten Endes haben alle Gespräche bis in den Dezember des vergangenen Jahres hinein gezeigt, dass diese Probleme in der Arbeit von Professor Pfeiffer nicht sichergestellt waren. Unter der Leitung eines Mitgliedes desselben Forschungsinstitutes(!) haben zuletzt die Verantwort-lichen der Bischofskonferenz noch eine Mediation versucht, die aber gescheitert ist.

Liebe Schwestern und Brüder, das alles steckt dahinter, wenn gesagt wird, die Vertrauensbasis der Zusammenarbeit sei gestört. Was das im konkreten Leben bedeuten kann, wissen Sie selbst auch. Sie wissen auch, was es bedeutet, wenn personenbezogene Daten, die Sie betreffen, in Ihrem Betrieb nicht gesichert sind. Die hochkomplexe Angelegenheit einfach darzustellen, ist äußerst schwierig. Wir waren uns bei unserer Entscheidung bewusst, dass Professor Pfeiffer sich medial sehr gut darstellen wird, dass wir dabei allerdings auch Vertrauen verlieren würden. Trotzdem mussten wir diesen Schritt gehen, wir hätten nämlich auf Dauer immer wieder mit unüberbrückbaren Gegensätzen kämpfen müssen. Das ist aber der Sache als solcher abträglich. Deshalb suchen wir einen neuen Partner, der nicht Gefälligkeitsgutachten erstellt, sondern die erforderlichen wissenschaftlichen Standards erfüllt, und mit dem eine vertrauensvolle Zusammenarbeit eher möglich ist. Das Grundziel der Aufklärung ist nicht zu hinterfragen und bleibt bestehen.

Liebe Schwestern und Brüder, durch diese aktuellen Ereignisse ist wieder einmal viel Vertrauen in die katholische Kirche zerstört worden. Wir müssen uns natürlich auch fragen, wo wir hätten vorsichtiger sein müssen, zum Beispiel im Blick auf die Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen vor Beginn des Projektes. Ich bitte Sie auf jeden Fall, das Vertrauen nicht zu verlieren und mitzuhelfen, wo auch immer Sie stehen, Klischees entgegenzutreten und um Vertrauen zu werben. Ich stehe unerschütterlich zu dem Grundanliegen, die Missbrauchssituation aufzuklären und bin zuversichtlich, dass wir diesen bereits auf vielfache Weise begonnenen Weg zu Ende gehen werden.

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