"Ich wusste gar nicht, dass das Thema so vielfältig ist", sagte einer der Teilnehmer am Studientag des Pfarrgemeinderates (PGR) zum Thema "Dialog in der Kirche".
Das Diözesankomitee der Katholiken im Bistum Münster hatte im Sommer einen Brief an die Pfarreien, Gruppen und Geistlichen Bewegungen in der Diözese versandt, um durch drei Fragen den "Dialogprozess in der katholischen Kirche Deutschlands" vor Ort anzuregen.
Am Samstag, 22. Oktober trafen sich aus diesem Anlass 14 Mitglieder des Pfarrgemeinderates und zwei weitere Gemeindemitglieder im Schönstattzentrum Oermter Marienberg, um sich am Dialogprozess zu beteiligen. Der PGR hatte Pfarrer Keller gebeten, diesen Tag zu gestalten.
"Ich bitte dich um ein hörendes Herz", bittet der junge Salomo vor seinem Regierungsantritt, als Gott ihm die Erfüllung einer Bitte zusagt.
Papst Benedikt XVI. hat die Bundestagesabgeordneten zu Beginn seiner Rede im Deutschen Bundestag an diese Bitte erinnert, um ihnen aufzuzeigen, was die Grundlage jeder Entscheidung ist: genau Hinhören, genau Hinsehen auf die Wirklichkeit, die uns umgibt, in der wir leben.
Ignatius von Loyola hat mit seinem Wort: "Gott in allen Dingen suchen und finden" dem Wort vom "hörenden Herzen" eine interessante Perspektive hinzugefügt: in allem, was ich höre, in allem, was ich wahrnehme, kann ich Spuren Gottes in dieser Welt erkennen. In dem, was ich sehe, in dem was ich höre, kann ich Gott entdecken, kann ich seine Stimme wahrnehmen.
Im Herzen kann ich spüren, dass Gott mir etwas sagen will. Mit dem Herzen kann ich wahrnehmen, was der Wille Gottes ist.
Mit dieser Prämisse begann die Vorstellrunde der einzelnen Teilnehmer. Mit der persönlichen Vorstellung verbunden waren zwei kurze Äußerungen eines jeden: "Wenn ich "Kirche" höre, denke ich zuerst an ..." und "Beim Stichwort "Glauben" fällt mir ein: ..."
So konnte jeder seine Sicht zu den beiden großen Themen "Kirche und Glauben" einbringen.
Pastoralreferent Ingendae führte dann mit den Teilnehmern einen "Bibliolog" durch. Die Bibelstelle von der Heilung des blinden Bartimäus (Markus 10,46-52) verdeutlichte, wie ein Gespräch ablaufen kann und was während eines Gesprächs geschieht.
"Was beunruhigt mit am derzeitigen Zustand der Kirche und was hindert mich in meinem Glaubensleben?" - so hatte das Diözesankomitee der Katholiken seine erste Frage formuliert.
Die Teilnehmer am Studientag hatten sich zu beginn schon an die beiden großen Themenfelder "Kirche" und "Glauben" angenähert.
In einem weiteren Schritt ging es darum, weitere Äußerungen zu diesem Fragekomplex wahrzunehmen. Dabei sollte es um konkrete Äußerungen aus der Pfarrgemeinde gehen.
Mittel dazu ist die "Schriftrolle", die zu Beginn jeder Pfarrgemeinderatssitzung weitergeschrieben wird. "Was beschäftigt mich" steht auf gelben Zetteln; "Was beschäftigt die Menschen, die mit mir leben" steht auf grünen Zetteln. So sammelt sich ein breites Spektrum von Äußerungen.
Jeder Teilnehmer bekam nun drei Kärtchen an die Hand: ein Herz, ein Samenkorn und ein rotes Ausrufezeichen. "Was berührt mich von dem, was ich in der Schriftrolle wahrnehme, ganz besonders? Was spricht mein Herz an?" "Wo entdecke ich etwas, was wächst (wie ein Samenkorn) und Zukunft hat?" "Wo entdecke ich etwas, das mir Sorgen macht (rotes Ausrufezeichen)?"
Diese drei Kärtchen dienten der "Spurensuche" - wo erahne ich einen Hinweis Gottes, auf das, worum es ihm geht, was ihm ein Anliegen ist. In allem, was geschieht; in allem, was ich höre; in dem, was mein Herz bewegt - all das nutzt Gott, um sich bemerkbar zu machen.
Zwei große Themenfelder in der "Schriftrolle" wurden besonders hervorgehoben: das Thema "Zukunft der Kirche" und das Thema "Glaube und Leben".
Wo geht es mit der Kirche (in unserer Pfarrgemeinde, im "Ganzen") hin? Wie hilft mir der Glaube im Alltag?
In der ersten Nachmittagseinheit waren die Teilnehmer eingeladen, ihr Kirchenbild zu beschreiben. Eine Kleingruppe beschrieb Kirche etwa so: "Kirche ist für mich wie ein großer Baum mit einem dicken knorrigen Stamm. An seinen oberen Ästen sind noch Blätter, unten ist er kahl."
In den gleichen Kleingruppen wurden anschließend "Demonstrationsplakate" für einen Protestzug auf den Petersplatz entworfen. Auf ihnen mussten in konzentrierter Form wichtige Themen benannt werden: "Gib den Frauen mehr Rechte" "Baustelle Kirche" "Mehr Schein als Sein" "Antworte auf unsere Fragen" ...
An diesem Punkt des Studientages wurde ein Dilemma des Themas deutlich: sobald ich mich auf wenige Worte beschränken muss, geht viel verloren.
Das Thema "Kirche" / "Glaube" ist ein sehr weites und differenziert zu betrachtendes Thema. Wenn man dann nur noch in Schlagworten redet, ist das oft dem Thema nicht angemessen. Die Worte werden dann buchstäblich eher zu "Schlägen", als dass sie weiterbringen.
Um einen Beitrag zur kirchlichen Streitkultur zu bringen, erläuterte Pfarrer Keller kurz das Geschehen rund um das "Apostelkonzil", das die Apostelgeschichte (15,1-29) schildert. Das was damals passiert ist, kann auch heute noch zum Maßstab dienen.
Um sich der zweiten Frage des Diözesankomitees anzunähern - "Was erwarte ich an Veränderungen in der Kirche" - war jede Gruppe eingeladen, aus verschiedenen Begriffen, die mit dem Thema zu tun hatten, eine Kirche zu bauen.
Was bildet das Fundament der Kirche, was ist ein wichtiger Bestandteil des ganzen Baus, was gehört eher an den Rand?
Danach waren die Kleingruppen eingeladen, eine "Einladung zum nächsten "Allgemeinen Konzil" der Katholischesn Kirche" aufzusetzen. Jede Gruppe konnte neben den Bischöfen weitere Teilnehmer benennen, die mit Stimmrecht am Konzil teilnehmen sollten.
Hier der Vorschlag einer Kleingruppe, die jedem Thema einen "Fachreferenten" zugeordnet hat:
TOP 1 - Frauenrechte in der Kirche / Priesteramt / Zölibat | Referentin: Margot Käsmann
TOP 2 - Jugendarbeit | Referent: ein Streeworker aus Berlin-Kreuzberg
TOP 3 - Kirche und Politik | Referent: Helmut Schmidt
TOP 4 - Glaubenskriege | Referent: Nahostkorrespondent
TOP 5 - neue Strukturen in der Gemeinde | Referent: Pfarrer vor der Fusion
TOP 6 - Kirche im Alltag | Referent: "Lieschen Müller"
TOP 7 - Moral der Kirche | Referent: Wiederverheiratet Geschiedener / ein in Rom in Ungnade gefallener Priester.
Um 16 Uhr schloss der themenreiche Tag mit einer "Blitzlichtrunde", in der jeder Teilnehmer seinen Eindruck des Tages wiedergeben konnte.
Der PGR wird sich in Vorstand und Plenum weiter mit dem Thema auseinander setzen und einen Antwortbrief an das Diözesankomitee der Katholiken formulieren.